Personaler haben es schwer. Viele von ihnen sind in einer paradoxen Situation: Das Unternehmen, für das sie arbeiten, scheint permanent an ihrer Daseinsberechtigung zu zweifeln. Dabei hat es sie doch irgendwann einmal eingestellt. HR leistet keinen Wertbeitrag, HR kostet nur, HR macht alles nur komplizierter. Aber HR abschaffen will dann doch niemand. Woher kommt es, dass diese Funktion sich permanent für ihre eigene Existenz rechtfertigen muss? Sind HRler per se überempfindliche Mimosen mit mangelndem Selbstwertgefühl? Sind sie weltfremde Idealisten oder betriebswirtschaftlich minderbemittelte Verwaltungsfanatiker, die entweder zu stolz oder zu starrsinnig sind, die Sprache des Business zu lernen? Sicher gibt es von all diesen Typen ein paar Exemplare im Personalwesen. Aber dass ein ganzer Berufsstand ausschließlich aus solchen Persönlichkeiten besteht, halte ich nicht für plausibel – zumal ich mich dann selbst einer dieser drei wenig schmeichelhaften Kategorien zuordnen müsste. Woran liegt es dann?
Eine Professionsgenossin brachte mich neulich auf folgenden Gedanken: HR ist Opfer des “Knew it all along”-Phänomens: Menschen neigen dazu, nach Eintreten eines Ereignisses zu behaupten, genau dieses Ereignis vorhergesehen zu haben. Damit erhalten sie ihr Selbstwertgefühl aufrecht. Das kann auch bedeuten, dass jemand über für ihn neues Wissen behauptet, genau dieses selbstverständlich schon gehabt zu haben – besonders dann, wenn es ihm peinlich erscheint, das Mitgeteilte nicht gewusst zu haben. Wie z.B. das Wissen darüber, wie man mit Menschen umgeht. Dieses Phänomen bringt den HRler in ein tägliches Dilemma. Er wird dafür bezahlt, das Business im Umgang mit Menschen zu unterstützen, zu entlasten, zu beraten. Und ist damit offiziell beauftragt, Dinge zu tun, die das Business selbst mindestens genauso gut gekonnt hätte. Schließlich will sich kein erfolgreicher Business-Mensch sagen lassen, er wisse nicht, wie man mit Menschen umgehe. Er ist selbst einer, warum sollte er also nicht wissen, wie man mit dieser Spezies umgeht?
Der CFO und seine Untergebenen haben dieses Problem nicht. Der IT-Leiter auch nicht. Keine Ahnung von Mathe zu haben ist ein gesellschaftlich so akzeptiertes, gar positiv assoziiertes Defizit, dass kein Manager sich schämen muss, sich von echten Zahlenfreaks beraten zu lassen. Und der IT ist es gelungen, sich mit ihrem Nerd-Image in den Mantel der wahrhaften Rocket-Science zu hüllen und so dafür zu sorgen, dass jeder Manager froh ist, wenn ihm die unleistbare Denkaufgabe der vernünftigen digitalen Abbildung und Unterstützung seiner Geschäftsprozesse abgenommen wird. Schließlich kann er das selbst nicht können. Und dann steht daneben der Möchtegern-CHRO und sagt: “Ich kann Ihnen sagen, wie Sie mit Menschen richtig umgehen!” Aha, denkt sich da der CEO. Das weiß ich ja wohl selbst am besten! – “Aber erzählen Sie mal… Aha. So. Ja, das sag’ ich auch immer: Empathie ist das Wichtigste! Und warum kostet das jetzt X-Tausend Euro?”
“Und der IT ist es gelungen, sich mit ihrem Nerd-Image in den Mantel der wahrhaften Rocket-Science zu hüllen und so dafür zu sorgen, dass jeder Manager froh ist, wenn ihm die unleistbare Denkaufgabe der vernünftigen digitalen Abbildung und Unterstützung seiner Geschäftsprozesse abgenommen wird.” Schöner Satz. “Professionsgenossin” mag ich auch. 🙂
Danke, liebe Anne! Da war ich kreativ 🙂