Interview mit Lehrberaterin Christel Meyer über die Wirksamkeit von interner und externer Beratung.
Im Austausch mit meinen Netzwerkpartnern und Kunden begegne ich immer wieder der Frage, ob und wie sich interne und externe Organisationsberatung voneinander unterscheiden. Gibt es Projekte, bei denen zwingend externe Beratung erforderlich ist? Inwieweit ist es ein Vorteil, dass interne Berater ihre Organisation sehr gut kennen? Und haben Externe wirklich die „Narrenfreiheit“, die ihnen häufig zugesprochen wird? Über diese und weitere Fragen habe ich mit Christel Meyer von der WSFB-Beratergruppe Wiesbaden gesprochen. Sie kennt beide Rollen sehr gut und füllt sie parallel aus.
Anne Lamberts: Liebe Christel, vielen Dank, dass Du Dir die Zeit für das Interview genommen hast. Du arbeitest sowohl als interne als auch als externe Organisationsberaterin. Welche verschiedenen Beraterhüte trägst Du momentan?
Christel Meyer: Ich trage im Moment zwei Beraterhüte. Für die WSFB-Beratergruppe Wiesbaden arbeite ich als Lehrberaterin in der WSFB-Beraterweiterbildung – so haben wir uns ja auch kennengelernt – und als Beraterin in verschiedenen Kundenprojekten. Das sind manchmal Einzelaufträge, wie z.B. ein Workshop für eine bestimmte Zielgruppe zum Thema: „Wie kann ich Veränderungsprojekte steuern? Wie gestalte ich die Rahmenbedingen so, dass die Veränderung erfolgreich stattfindet? Wie kann ich die Menschen zielführend aktivieren?“ Das können aber auch Projekte sein, die über ein halbes oder ein ganzes Jahr laufen, und wo ich z.B. mehrere Workshops durchführe oder einen einzelnen Coachee habe. Im Coaching geht es um organisationales Wirksamkeitscoaching. Das heißt, ich coache eine Einzelperson, die entweder in einer Führungsrolle oder in einer Change-Agent-Funktion ist, und helfe dieser Person, bestimmte Veränderungsprojekte in ihrer Organisation zu begleiten.
Meinen zweiten Beraterhut trage ich als Mitarbeiterin eines globalen Konzerns. Hier arbeite ich an der Schnittstelle zwischen konzernweiten HR-Prozessen und meinem internen Kunden, der europäischen Organisation des Unternehmens. Diese europäische Organisation unterstütze ich bei der Umsetzung der Konzern-Prozesse vor dem Hintergrund der lokalen Gegebenheiten. Zum einen arbeite ich in der Begleitung von Führungskräften – in aller Regel Führungskräfte, die selbst wiederum Führungskräfte führen – und mache klassische Führungskräfteentwicklung: Wir suchen Weiterbildungsmaßnahmen, ich mache Beratung, ich coache diese Führungskräfte. Ganz oft gibt es entweder Coachings oder einzelne Aufträge zum Thema Begleitung von Veränderungsprozessen. Zum anderen begleite ich Veränderungsprojekte, die von globaler Seite aufgesetzt und in meiner internen europäischen Kundenorganisation umgesetzt werden sollen. Dabei arbeiten wir oft zusammen mit externen Beratern, die entweder das globale Projekt am Anfang mit aufsetzen oder bei der Umsetzung für unsere Region durch das Führungsteam hinzugezogen werden.
Organisationsberater als Überzeugungstäter
Wir haben uns in der Beraterweiterbildung von WSFB kennengelernt. Dort durfte ich von Dir und Deinen Kollegen lernen, wie man Organisationen in ihren Denk- und Verhaltensmustern so stört, dass innerhalb der Organisation Erkenntnis- und Lernprozesse angestoßen werden, die eine nachhaltige Veränderung ermöglichen. Gleichzeitig reagieren Organisationen auf solche Störungen aus systemtheoretischer Sicht meist mit Abwehrmechanismen. Wenn ich als Berater also zu sehr störe, werde ich nicht akzeptiert. Wenn ich zu wenig störe, bin ich nicht wirksam. Was sind aus Deiner Sicht diesbezüglich die Vor- und Nachteile der internen und der externen Beraterrolle? Was sind Deine Erfahrungen als externe WSFB-Beraterin und als interne Konzernmitarbeiterin?
Als Interne ist man zum einen als abhängig Beschäftigte an Weisungen des Vorgesetzten gebunden, und wird von Leistungsbeurteilungen oder Zielvereinbarungssystemen beeinflusst. Das ist bis zu einem gewissen Grad eine Einschränkung der eigenen Störmöglichkeit. Ich hatte bisher immer das Glück, dass ich zu meinen Vorgesetzten ein gutes Vertrauensverhältnis hatte und sie mir in dem, was ich tue, weitestgehend freie Hand lassen. Meine Leistungsbeurteilung hängt außerdem davon ab, ob mein Kunde mit mir zufrieden ist. Also sollte ich auch meine internen Kunden nicht allzu sehr herausfordern. Wenn ich aber meinen Job gut machen will, muss ich auch mal sagen: „Ich halte das nicht für eine gute Idee“ und es gut begründen, dann gehen die internen Kunden oft mit und vertrauen mir als interner Beraterin. Es passiert aber eben auch, dass interne Kunden sagen: “Ja, Sie haben Recht, und wir sollten das so machen, aber die Bedingungen sind anders und deswegen machen wir das trotzdem nicht.” Dann ist meine Störmöglichkeit beschränkt und ich muss ein bestimmtes Projekt so umsetzen, wie mein interner Kunde oder mein Vorgesetzter das will.
Als Externe kann ich – wenn mein Kontostand es zulässt – solche Aufträge ablehnen bzw. auf jemand anderen verweisen. So eine Situation hatte ich als Externe auch schon. Da hat ein Kunde darauf bestanden, dass wir das fünfundzwanzigste Sales-Training machen. Ich habe dann gesagt: „Ich glaube nicht, dass Sie ein Problem mit der Qualifikation Ihrer Mitarbeiter als Vertriebsmitarbeiter haben, sondern es gibt einen anderen Grund für das jetzige Problem.“ Das hat der Kunde aber nicht so gesehen und ich habe den Auftrag nicht angenommen.
Reflexion als Mittel gegen die eigene Betriebsblindheit
Wie sieht es mit der eigenen Betriebsblindheit als interne Beraterin aus? Man ist ja auch selbst Teil der Organisation und ihrer bestehenden Denk- und Verhaltensmuster.
Genau. Das ist ein ganz starker Hinderungsgrund für die beraterische Wirksamkeit. Als Mitglied der Organisation fällt man selbst auf Argumente wie „das haben wir schon immer so gemacht“ oder „das hat schon vor zehn Jahren nicht funktioniert“ herein. Deswegen ist es gut, wenn man ein Umfeld hat, in dem man solche Situationen reflektieren kann. Ich treffe mich z.B. alle zwei Monate mit einer Gruppe von Frauen, die sich in einem Konzern-internen Frauen-Mentoring-Netzwerk kennengelernt haben. Dort besprechen wir nach einer festgelegten Methode Fälle miteinander, das hilft ein Stück. Trotzdem bleibt es eine interne Geschichte. Deswegen bin ich froh, dass ich noch Mitglied in einem weiteren Kreis bin, der aus ehemaligen Teilnehmern an der Beraterweiterbildung hervorgegangen ist. Auch dort treffen wir uns regelmäßig, besprechen Fälle miteinander, und halten uns gegenseitig auf dem neuesten Stand zum Thema Beratertätigkeit, organisationale Wirksamkeit, und so weiter. Aber natürlich ist die eigene Betriebsblindheit immer eine Falle, in die man als interne Beraterin hineinlaufen kann. Das merkt man dann oft erst im Prozess oder bei der Reflexion nach Abschluss eines Projekts.
Viele Wege führen nach Rom
Inwiefern ist das als externe Beraterin anders?
Als externe Beraterin habe ich zu Beginn immer die Außenperspektive. Ein wichtiges Prinzip unserer Beratung ist ja, die Organisation mit sich selbst zu konfrontieren und es ihr zu ermöglichen, sich selbst zu reflektieren. Eine große Herausforderung für Interne ist, dass die Organisation den beabsichtigten Reflexionsimpuls als Irritation erlebt. Diese Irritation wird dann weniger als Beratungsleistung wahrgenommen, sondern stößt eher auf Verwunderung darüber, dass ich die Organisation nicht verstehe. Wenn ich Externe wäre, würde man sagen: „Ah ok, sie ist extern, sie kennt das noch nicht, wir müssen es ihr noch einmal erklären.“ Da ist die Akzeptanz von ‚ich störe‘ höher.
Und damit ist auch die beraterische Wirksamkeit höher?
Die Wirksamkeit ist nicht per se höher, aber der Weg ist ein anderer. Ich kann als Externe bestimmte Fragen als Instrument viel leichter einsetzen, wie z.B.: „Ich verstehe das noch nicht so richtig, können Sie mir bitte noch weitere Details geben? Oder können Sie mir das noch einmal auf eine einfachere Art und Weise erklären?“ Als Externer darf ich Dinge nicht verstehen.
War dieser Unterschied für Dich auch ein Grund, warum Du neben Deiner internen Rolle irgendwann angefangen hast, auch als externe Beraterin zu arbeiten?
Nein, zu Beginn noch nicht, da waren mir diese Dinge ja noch gar nicht bewusst. Erst einmal habe ich 2002 mit der Beraterweiterbildung begonnen. Das war acht Jahre, nachdem ich in meiner jetzigen Firma ganz klassisch als Trainerin angefangen hatte, und mir hat meine Arbeit damals Spaß gemacht. Mein erstes Ziel in der Beraterweiterbildung war, meine Wirksamkeit in meiner eigenen Organisation zu verbessern. Ich war in die Führungskräfteentwicklung gewechselt und habe dort festgestellt, dass man mit klassischen Trainings nicht so furchtbar viel erreichen kann. Die Mitarbeiter, die man trainiert, gehen nach dem Seminar zurück in ihre alte Organisation und stehen dann vor einer Herausforderung: Sie wollen einerseits das Gelernte anwenden, und müssen dafür ihr eigenes Verhalten ändern. Andererseits kommen sie zurück in die alten Strukturen, die sie eher daran hindern, das Neue anzuwenden. Das funktioniert nicht besonders gut. Zu der Zeit habe ich dann nach einer Beraterweiterbildung gesucht und bin so auf WSFB gestoßen. Der Gedanke, mich selbständig zu machen, kam dann eher im Laufe der Beraterweiterbildung.
Und konntest Du durch die Weiterbildung Deine organisationale Wirksamkeit erhöhen?
Da ging es mir zunächst ähnlich wie meinen damaligen internen Kunden, also den Teilnehmern an meinen Trainings. Man lernt etwas Neues, will es anwenden, aber es funktioniert nicht, weil die Struktur das nicht zulässt. Dann verpufft ganz schnell auch die eigene Energie. Zum Glück läuft die Weiterbildung ja über einen längeren Zeitraum, sodass ich diese Situation immer wieder reflektieren und mehr und mehr Strategien lernen und entwickeln konnte, um immer wirksamer beraten und begleiten zu können.
Was Organisationen voneinander lernen können
Hat sich durch Deine Tätigkeit als Externe auch Deine Arbeit als Interne verändert – oder Dein Blick auf die beratende Arbeit?
Das erste, was sich schon relativ früh verändert hat, ist das Verständnis dafür, dass sich in einer Organisation so selten etwas verändert, und das nicht nur in meiner eigenen Organisation. Das, was man in der Beraterweiterbildung lernt – nämlich dass Organisationen sich über lange Zeiträume hinweg verändern und es immer wieder Impulse braucht – habe ich selbst erlebt, sowohl intern als auch extern. Und das hat mich geduldiger gemacht.
Was hat sich noch verändert?
Dadurch, dass ich in verschiedenen Organisationen bin, sehe ich, wie in unterschiedlichen Systemen mit Veränderungsprozessen umgegangen wird. Das heißt, ich lerne weitere Methoden, neue Herangehensweisen, neue Denkweisen kennen. Wäre ich nur in einer Unternehmenskultur geblieben, hätte ich das so nicht verstanden und erlebt.
Das heißt für Klienten, dass sie bei einem externen Berater immer auch vom Erfahrungsschatz des Beraters aus seinen Projekten bei anderen Klienten profitieren?
Genau. Als Selbständige arbeite ich in anderen Branchen als in der, in der ich angestellt tätig bin. Oder mit Menschen, die einen anderen Ausbildungshintergrund haben. Ich arbeite als Externe z.B. in einem Kontext, der eher bürokratisch ist, quasi in der öffentlichen Verwaltung. Da wird ganz anders gedacht. Dann stelle ich aber fest, dass es in einer großen Organisation wie der unseren – globaler Konzern, viele verschiedene Nationalitäten – durchaus auch solche Strukturen gibt, die ich möglicherweise gar nicht als solche erkannt hätte, weil ich mir nicht hätte vorstellen können, dass in einem globalen Konzern bürokratisch gedacht wird. Ich kann dann Impulse, die ich in so einer Organisation gesetzt habe, auch bei uns setzen. Ohne diese Erfahrung aus der anderen Organisation wäre ich vielleicht gar nicht auf diese Idee gekommen, stelle aber fest, dass sie funktionieren.
Würdest Du sagen, dass Du durch Deine parallele externe Arbeit eher vor den typischen Fallen interner Beratung gefeit bist? Hast Du eine höhere Wirksamkeit als Berater, die nur Interne sind?
Eine typische Falle, in die interne Berater tappen können, ist, dass sie als Personen angesehen werden, die die Organisation sehr gut kennen und basierend darauf einen Rat geben sollen, was zu tun ist. Wenn man externer Berater ist oder die externe Rolle kennt, kann man zwischen beiden Rollen wechseln. Ich kann meinen Klienten sagen, dass ich aus interner Sicht empfehlen würde, folgendermaßen an eine bestimmte Situation heranzugehen, dann aber sagen: „Wäre ich eine externe Beraterin, würde ich vorschlagen, etwas anderes zu machen. Was halten Sie davon, wenn wir mal so tun, als wüssten wir nicht, wie diese Organisation ist? Was könnte man dann machen, wenn es anders wäre? Wenn unsere Mitarbeiter anders wären und offen für etwas anderes wären?“ Das ist der große Vorteil, wenn man sowohl intern als auch extern arbeitet: Wenn ich Anschlussfähigkeit herstellen will, kann ich das sehr gut, weil ich selber Mitarbeiterin in einer Organisation bin und sagen kann: „Ich kann mir vorstellen, wie es Ihnen geht. Und als Externe würde ich Ihnen trotzdem gerne einmal folgenden Spiegel vorhalten oder hätte noch folgende Idee dazu, wie Sie weiter vorgehen können.“ Ich kann jemanden dabei begleiten, seine eigene Situation von außen zu betrachten. Das ist der große Vorteil.
Ohne Risiko keine Veränderung
Internen Kunden den Spiegel vorhalten kann aber auch riskant sein. Als Externer kann ich mich schneller in Sicherheit bringen, kann also zwecks Aktivierung der Klientenorganisation ein höheres Risiko eingehen, oder?
Dazu gibt es verschiedene Sichtweisen und auch Berater, die beide Rollen kennen, haben dazu durchaus unterschiedliche Ansichten. Ich glaube, das ist erstens eine sehr persönliche Geschichte und zweitens davon abhängig, wie mein Gesprächspartner reagiert. Meine persönliche Erfahrung ist, dass ich intern eher störungswilliger bin, weil ich das Gefühl habe, dass ich als Beraterin akzeptiert bin und das Vertrauen meines Klienten nicht so schnell verliere. Dadurch, dass interne Klienten über Empfehlungen von Kollegen auf mich zukommen oder mich aus einer früheren Zusammenarbeit kennen, gibt es einen Vertrauensvorschuss.
Gilt das nicht auch für Externe, die über eine Empfehlung in eine Organisation kommen?
Das ist eine andere Art von Empfehlung. Wenn jemand aus einer Organisation mich für eine andere Organisation empfiehlt, habe ich eine gewisse persönliche Reputation. Ich werde für kompetent und sympathisch gehalten. Aber meine Klienten wissen noch nicht, ob ich tatsächlich mit ihrer Organisation so arbeiten kann, wie sie sich das vorstellen. Deswegen bin ich am Anfang, wenn ich als Externe unterwegs bin, eher ein bisschen zurückhaltender. Der Schwerpunkt liegt mehr darauf, Anschlussfähigkeit herzustellen, Vertrauen aufzubauen, zu verstehen, was da überhaupt los ist, und sicherzustellen, dass der Klient sich bei mir in guten Händen fühlt. Das muss ich intern weniger machen, weil man mich schon kennt. Wenn man nachher mit dem Klienten oder einer Gruppe arbeitet, macht es aus meiner Sicht nicht mehr so einen großen Unterschied. Wenn ich gut arbeiten will, muss ich sowohl intern als auch extern immer eine Balance haben zwischen Vertrauen, in Beziehung bleiben und Stören. Nur der Startpunkt ist also ein anderer.
Grenzen der eigenen Wirksamkeit erkennen
Ich sehe noch ein anderes Risiko für Interne: Je nach organisatorischer Aufstellung kann ich in Rollenkonflikte geraten. Besonders in kleinen Organisationen ist man z.B. als HRlerin mal interne Trainerin und will eine möglichst angstfreie Atmosphäre für die Teilnehmer herstellen. Gleichzeitig ist man vielleicht verantwortlich für die Steuerung von Leistungsbeurteilungen und daraus abgeleiteten Entscheidungen. Was sind Deine Erfahrungen mit solchen Konstellationen? Was kannst Du Kollegen in Rollenkonflikten raten?
Grundvoraussetzung für das Gelingen von Beratung in solchen Konstellationen ist, dass man diese unterschiedlichen Rollen auseinanderhält. Das ist manchmal nur begrenzt möglich. Deswegen sollte man als Interne möglichst nur dort Veränderungsprozesse begleiten, wo man nicht gleichzeitig eine direkte HR-Rolle hat. In solchen Fällen macht es Sinn, einen Externen dazuzuholen – mindestens als Coach für den HRler, besser zur direkten Begleitung des Prozesses. Wenn das nicht geht, ist es wichtig, die eigene Doppelrolle dem Klienten gegenüber offenzulegen und deutlich zu machen, dass trotz dieser Doppelrolle der Beratungsprozess nicht dazu dient, seine Leistung zu beurteilen. Das muss natürlich auch vom restlichen organisationalen Umfeld so mitgetragen werden, sodass der interne Berater sein Vertraulichkeitsversprechen dem Klienten gegenüber einhalten kann.
Wie gehst Du damit um, wenn Du merkst, dass Du – sei es aus Rollengründen oder aus persönlicher Passung – nicht die Richtige für den Auftrag bist?
Ich kann nur dazu ermutigen, authentisch zu sein und mit den Stärken zu arbeiten, die man hat. Ein Beispiel: Humor ist in angstbesetzten Situationen aus meiner Sicht eine ganz wichtige Eigenschaft. Ich glaube, dass ich mit meinem westfälisch-trockenen Humor gut Anschluss herstellen kann und behalte das deswegen auch bei. Manchmal gibt es aber Klienten, die nicht so gut damit klarkommen. Das sind dann einfach nicht meine Klienten. Darüber muss man sich sowohl extern als auch intern im Klaren sein: Wenn ich einer Organisation dabei helfen will, sich weiterzuentwickeln, gibt es Situationen, in denen ich die richtige Beraterin bin. Es gibt aber auch Fälle, wo es eben nicht passt – das dann zu erkennen und den Auftrag an jemand anderen abzugeben, ist eine große Stärke, die man als Berater haben muss. Für Externe ist das natürlich auch eine Frage des Portemonnaies.
Auch als Externe geht man manchmal langjährige Beziehungen zu einer Organisation ein und entwickelt sich zum „Haus- und Hofberater“. Was kann man dagegen tun, in einer solchen Konstellation als Externe betriebsblind zu werden?
Da gilt das Gleiche wie als Interne. Man braucht ein Instrumentarium, um die eigene Beraterrolle zu reflektieren. Man sollte sich immer wieder fragen: Bin ich noch anschlussfähig, bin ich ausreichend störbereit und -fähig und passt das zu dem, was diese Organisation erreichen will? Oder spreche ich schon die Sprache meines Klienten? Welche Begriffe benutze ich? Ein typisches Signal, dass ich nicht mehr genug Abstand zu einer Klientenorganisation habe, ist z.B., wenn ich bei einem Klienten die „Sprache“ eines anderen Klienten spreche, für den ich schon ganz lange arbeite, indem ich bestimmte Begriffe aus dessen Kontext benutze. Das passiert gelegentlich. Da ich in meiner Angestelltentätigkeit überwiegend in Englisch arbeite, ist es für mich z.B. immer ein Warnsignal, wenn ich merke, dass ich bei anderen Klienten plötzlich englische Begriffe benutze. Dann weiß ich: Jetzt muss ich aufpassen, ich ziehe zu viele Vergleiche zwischen den Systemen und bin nicht mehr aufmerksam für die jeweiligen Eigenheiten. Zudem braucht jeder gute Berater ein oder besser noch mehrere Reflexionssysteme. Selbst ein Reflexionssystem birgt ja die Gefahr, dass auch in diesem System Perspektivwechsel nicht mehr in dem Maße möglich ist, wie man sich das wünscht. Wenn man als Berater einen Coach hat, ist es gut, den Coach entweder von Zeit zu Zeit zu wechseln oder zu überprüfen: Können wir hier noch reflektiv genug arbeiten? Ist das noch genug Perspektivwechsel, der hier stattfindet? Reflexion und Perspektivwechsel sind also sowohl für interne als auch externe Beratung zentral.
Liebe Christel, vielen Dank für das Gespräch. Ich freue mich schon jetzt auf das nächste WSFB-Alumnitreffen und die dortigen Reflexionsmöglichkeiten!
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